Haus für Kinder

Prolog
Mit dem Gebäude hat die Gemeinde Sachsenkam frühzeitig einem bevorstehenden Engpass an Krippen-, Kindergarten- und Hortplätzen entgegengewirkt, während einige umliegende Gemeinden auf unwirtschaftliche, unökologische und unästhetische Interimslösungen (Container etc.) zurückgreifen müssen. In einem partizipativem Prozess mit Gemeinderat und dem örtlichen KiTa-Personal wurde das in vielerlei Hinsicht unkonventionelle und innovative Projekt gemeinschaftlich mit den Architekten und Fachplanern entwickelt und geplant. Dabei wurde mit dem Gebäude ein alternatives, an die Anforderungen an ein offenes pädagogisches („open doors“) sowie inklusionsfähiges Konzept für 100 Kinder umgesetzt. In nur 6 Monaten wurde das 40m lange und 20m breite Gebäude geplant und durch die Wahl eines vorfabrizierten Holzbaus in weiteren 6 Monaten gebaut.

Städtebauliche & freiraumplanerische Integration
Der Ort Sachsenkam ist städtebaulich wie baukulturell betrachtet ein klassisches Straßendorf. Morphologisch geprägt von seinen entlang der Dorfstraße situierten Einfirsthöfen entstand über Jahrhunderte hinweg ein gewachsener und lebendiger Ort. Das Dorf ist vital und aktiv, was sich in einem regen Vereinsleben und durch mehrere örtliche Gaststätten widerspiegelt. Die Gemeinde stellt aufgrund seines Klosters auf dem Reutberg, der Brauerei mit dem bekannten Biergarten sowie dem angrenzendem Moorgebiet um den idyllischen Kirchsee einen beliebten Naherholungsort in der Metropolregion München dar. Zwischen dem Ortskern und dem angrenzenden Naherholungsgebiet wurde entlang der verbindenden Straße durch die Situierung der KiTa ein weiterer städtebaulicher Schwerpunkt gesetzt. Im Sinne der städtebaulich markanten Archetypen (Einfirsthöfe) wurde das Gebäude trotz seiner komplexen inneren Struktur so konzipiert, dass es in seiner Tektonik und Proportion den typologischen Prinzipien alter Bauernhöfe folgt. Durch die Wahl des Bauplatzes in zentraler Lage kann der Großteil der Kinder und Eltern die Einrichtung zu Fuß oder mit dem Fahrrad erreichen. Um die natürliche Retention und einen kurzen, geschlossenen Wasserkreislauf zu fördern wurden die notwendigen Stellplätze und deren Zuwegung mit wasserdurchlässigen Belägen ausgeführt. Der Parkplatz ist mit behindertengerechten Stellplätzen sowie mit Anschlüssen für Elektroladesäulen ausgestattet. Eine innerhalb der Parkplatzfläche integrierte, behindertengerechte Bushaltestelle versiegelt keine weiteren Flächen und bindet die KiTa an den ÖPNV an.
– Wir geben der Natur zurück was wir ihr nehmen –
Durch effizientes und nachhaltiges Flächenmanagement (Umlegung einer Straße und Entsiegelung angrenzender kommunaler Flächen) wurde auf dem Baufeld trotz eines „Gebäude-footprints“ von knapp 500m² keine zusätzliche Fläche versiegelt, sondern rund 70m² mehr Grünfläche geschaffen die zu großen Teilen der Natur in Form von Sukzessionsvegetationsflächen / Blumenwiesen „zurückgegeben“ wurde.
Dadurch soll nicht nur Lebensraum für Insekten wie Bienen usw. geschaffen werden, sondern auch im pädagogischen Sinn ein Bewusstsein für einen zukünftigen nachhaltigen Umgang mit der Natur geschaffen werden, sowie Akzeptanz gegenüber naturüberlassener kommunaler Flächen bei Eltern und Kindern erzeugt werden.

Kennzahlen des Projekts
  • 100 Kinder (3 Kiga + Hort + Multiraum + Inklusionsraum usw.)
  • 6 Monate Planung, 6 Monate Bauzeit, Fertigstellung 2019
  • 40m lang, 20m breit, 1.521 m² BGF, 5.630 m³ BRI, 1.025 m² NFL
  • Vorfabrizierter Holzbau (BSP-Wände + BSP-Rippenelemente für Decken und Dach)
  • Es wurden rund 700m³ Holz verbaut
  • Gesamtbaukosten: 3,9 Mio € (brutto)
Besonderheiten des Projekts

Energiekonzept „Mit der Natur – nicht dagegen“
Landschaftsintegrative Intention ist durch Verschneidung der Erdgeschossflächen mit den Außenräumen und deren Bepflanzung mit  Sukzessionsvegetation und Bäumen einen visuellen und naturellen Konnex zwischen der Kindertagesstätte und dem angrenzenden Moorgebiet zu schaffen um dadurch die Grenzen zwischen den unterschiedlichen Lebensräumen aufzulösen und miteinander zu verweben. Dem Sinn der ursprünglichen „Hofbäume“ an landwirtschaftlichen Anwesen folgend, sollen die Bäume in den Höfen das Klima an der Gebäudehülle konstanter halten und somit für einen geringeren Wärmebedarf im Winter und einer verminderten Aufheizung im Sommer sorgen. Die westlich und östlich in die Gebäudekubatur eingeschnittenen Höfe mit dem entstehenden Kamineffekt sorgen im Sommer zusätzlich für den Abtransport sich stauender warmer Luft und kühlen den Baukörper von der Außenseite auf natürliche Art und Weise. Das Gebäude folgt dem ökologischen Prinzip „low tech-high effect“ in dem der Großteil der bauphysikalischen Anforderungen durch seine Architektur und unter Verzicht technischer Geräte gelöst wird. Das Gebäude ist so konzipiert, dass es ohne technische Lüftung, Klimaanlage und mechanischen Sonnenschutz auskommt und somit fast 10% der Baukosten eingespart wurden. Die gefächerte Lamellenfassade aus Holz verschattet die dahinterliegenden Glasflächen des Obergeschosses und durch seine allseitige Auskragung werden wiederum die Glasflächen des Erdgeschosses vor der Hitze der hochstehenden Sommersonne geschützt. Über zentrale Lichtbänder in den Dachflächen und offene Lufträume im Zentrum des Gebäudes kann die warme Luft mittels „Kamineffekt“ auf natürliche Weise entweichen, und somit der nötige Luftwechsel und die Kühlung des Gebäudes sichergestellt werden. Letzteres erfolgt über eine automatisch gesteuerte Nachtauskühlung. Heizungstechnisch ist das Gebäude an eine 30m entfernte kommunale Nahwärmestation (Hackschnitzelheizung) angeschlossen, die unter anderem auch das benachbarte Rathaus versorgt und von der Gemeinde selbst betrieben wird.

Materialkonzept
Das Gebäude wurde im Sinne des „cradle to cradle“-Prinzipes (Naturkreislaufprinzip – „Die Natur lässt keine Abfälle zurück“) geplant. Deshalb kamen ausschließlich natürliche und naturbelassene Baustoffe (Holz, Beton, Schwarzstahl usw.) mit garantierter Rückbaubarkeit und unproblematischer Entsorgung zum Einsatz, die nach dem „low-tech“-Prinzip gezielt gemäß ihrer positiver Eigenschaften verbaut wurden. Dies zeigt sich im Innenraum durch die oft rohbelassenen, archaischen Oberflächen. Das soll bei den Kindern ein materialgerechtes Verständnis und ein Bewusstsein für den Umgang mit echtem, sich verändernden Material und dessen Eigenschaften erzeugen. Das Gebäude ist als kombinierter, vorfabrizierter Holzbau mehrerer Systeme (Wände aus Brettsperrholz, Decken und Dächer aus Brettsperrholz-Rippenelementen) errichtet worden. Bei den fast 700m³ verbautem Holz stammt das Holz der Fassade sowie das konstruktive Vollholz (Tanne) aus dem eigenen Landkreis.
Nur die erdberührten Bauteile des aufgrund nachhaltigen Erdmanagements sanft in die Topographie eingewobenen Bauwerks bestehen aus Stahlbeton. Als Dämmmaterialien kamen ausschließlich Holzfaserprodukte und im Bereich der nichtunterkellerten Bodenplatte recycelter Glasschaumschotter zum Einsatz. Alle Oberflächen (Holzwände, Betonwände, Sichtestrichböden usw.) sind so gewählt, dass sie durch eine spätere Überarbeitung wie Schleifen etc. eine deutliche Verlängerung ihres Lebenszyklus erfahren können.

Architektur
Als sinnbildliches Vorbild für das Gebäude wurde das Haus herangezogen, von dem jedes Kind träumt. Das Baumhaus.
Damit in den Nutzungen der Geschosse keine raumqualitativen Unterschiede sondern gleichwertige Bezüge zur umgebenden Landschaft entstehen, wird die Natur auch im Obergeschoss förmlich ins Gebäude geholt. Die in die Kubatur eingeschnittenen Lichthöfe mit ihren Bäumen stellen von den Obergeschossräumen Blickbeziehungen zum Ast- und Blätterwerk her und wecken Assoziationen zu den innerräumlichen Atmosphären eines Baumhauses. Die Grundrisse sind so entworfen, dass aus jedem Raum Blickbeziehungen zu umliegenden Bäumen, der angrenzenden Moorlandschaft, der Dorfkirche oder dem nahen Kloster Reutberg entstehen. Das Gebäude folgt dabei der typologischen Tektonik alter Bauernhöfe. Im Erdgeschoss verputzt, im Obergeschoss mit Holz verschalt und mit einem ruhigen großen Satteldach mit roter  Ziegeldeckung versehen greift es architektonisch neu interpretiert den baukulturellen Archetyp des Ortes auf. Das pädagogische System zur Inklusion von Menschen mit Behinderung wurde in Form der uneingeschränkten Nutzbarkeit des Gebäudes mittels Aufzug und barrierefreier Zugänglichkeit, sowie in Form eines speziellen Therapieraumes umgesetzt. Das ausgeklügelte Brandschutzkonzept mit Rettungswegen über Gartentreppen ermöglicht es, alle inneren Erschließungsflächen als komplette Spielflure benutzen zu können und dabei die Türen zu den Gruppenräumen, entsprechend dem offenen pädagogischen Konzepts („open doors“), bei Bedarf offen stehen zu lassen.

Projektziel

siehe Projektbeschreibung

Projektträger

Gemeinde Sachsenkam
Schulweg 7
83679 Sachsenkam

t. 08021 7610
f. 08021 8329
e. info@vgreichersbeuern.de

Projektbeteiligte und Kooperationspartner*innen

Beham Architekten, Einöd 7, 83623 Dietramszell, www.beham-architekten.de, t. 08027 41

IB Weber GmbH (Haustechnik), Albert-Schäffenacker-Str. 8, 83646 Bad Tölz

IB Möhler + Partner Ingenieure AG (Bauphysik, Akustik), Landaubogen 10, 81373 München

IB OK Ingenieure GmbH & Co.KG (Brandschutz, Gebäudestatik), Karwendelstr. 7, 83661 Lenggries

 

Herausforderungen und Lösungsstrategien
Projektdauer
Projektkosten
Gesamtbaukosten: 3,9 Mio € (brutto)
Projektfinanzierung
durch kommunalen Haushalt, durch staatliche Fördermittel
Strategische Zielsetzungen
Wissenstransfer herstellen, Gute Beispiele zeigen, Informationen bereit stellen, Neue Wege und Methoden ausprobieren
Status
abgeschlossen
Zeitraum
Planung 2018, Fertigstellung 2019
Art des Projekts
operatives Projekt
Handlungsfelder