wagnisWEST

Eine gehörige Portion Mut, viel Geduld und die große Chance voneinander zu lernen, das zeichnet das erste gemeinsame Bauvorhaben der jungen Genossenschaft wagnis eG und der traditionsreichen Wohnbaugenossenschaft München-West (WGMW) aus. Nach gut drei Jahren Bauzeit feierte wagnisWEST an der Aubinger Allee 40-54 in Freiham am 14. Juni 2024 Einweihung. 134 Wohnungen in Holz-Hybrid-Bauweise und mit EH55-Energiestandard sind entstanden. 97 davon entfallen auf die wagnis, 37 auf die WGMW. 75 Prozent der Wohnungen sind gefördert.

Weil sie einen Beitrag zu einem lebendigen Quartier leisten wollen, haben sich beide Genossenschaften bewusst für ein Grundstück im Herzen von Freiham beworben. Statt einer Privatisierung im Reihenhausstil finden sich bei wagnisWEST nun Angebote für alle, in den Erdgeschosszonen aber auch im treffend benannten zentralen Gebäude, dem „Gemeinschaftsmacher“. Beispiele sind der SOS-Kindertreff mit seinen Angeboten für sechs- bis zehn-Jährige, ab September 2024 eine Gastronomie mit bosnischer Küche und zahlreiche Gemeinschaftsräume, die nicht nur Bewohner*innen, sondern auch Nachbar*innen aus dem Quartier offenstehen. Ein zentraler Begegnungspunkt unter freiem Himmel ist der gelbe Platz mit einem Teppich aus Re-Use-Bausteinen zwischen den einzelnen Häusern. Durch ein anspruchsvolles architektonisches Konzept konnten die Höfe weitestgehend frei von Feuerwehrzufahrten bleiben.

Viele der heutigen Bewohner*innen von wagnisWEST sind bereits seit 2018 Teil der Baugruppe und durch die wagnis-spezifischen intensiven partizipativen Prozesse auch seitdem aktiver Teil des Stadtwerdungsprozesses von Freiham. Mit seiner – bereits vor Einzug miteinander vertrauten – Bewohnerschaft fungiert wagnisWEST als Impulsgeber für das neue Quartier in dem sich viele Nachbar*innen anderer Wohnprojekte erst zurechtfinden und kennenlernen müssen.  Beim Aufbau der Wertschöpferei sind z.B. auch wagnisWEST-Bewohner*innen aktiv (Wertschöpferei (wertschoepferei.org)

Besonderheiten des Projekts

Bei der Planung des Wohn- und Lebensraums war der Leitgedanke für wagnisWEST: „Was muss meins sein und was kann ich besser in Gesellschaft?“ Das Ergebnis: Neue Wohnkonzepte wie das Cluster als “Geschossfamilie” und ca. 10 Prozent Gemeinschaftsflächen. Das verringert den Flächenverbrauch pro Kopf um ca. 30 Prozent im Vergleich zum konventionellen Wohnungsbau. Bei der Cluster-Geschossfamilie teilen sich sieben auf einer Ebene gelegene Wohnungen einen eigenen Gemeinschaftsraum. Für alle Bewohner*innen stehen zwei Gästeapartments und neun Gemeinschaftsräume zu Verfügung. Außerdem gibt es sieben Gewerbeeinheiten (vier Gewerbeeinheiten bei wagnis und drei bei der WGMW). Viele Gemeinschaftsflächen wie Casino, Werkstatt, Dachgärten, Toberaum und Lesegalerie stellen Platz für Austausch und Begegnung sicher.

Inklusion und soziale Teilhabe aller wird bei wagnisWEST durch die partizipativen Strukturen erreicht. In Arbeitsgruppen und in monatlichen Plenen kann jede*r Bewohner*in sich einbringen und teilhaben. Teil des Projekts ist auch eine Kooperation mit Gemeinsam Leben Lernen e.V. (GLL) durch die Menschen mit Behinderungen selbst bestimmt und mit anderen Menschen in der genossenschaftlichen Hausgemeinschaft wohnen können.

Die Gemeinschaftsräume bieten zahlreiche Möglichkeiten für Bildungsangebote und die Vernetzung von Akteur*innen vor Ort. In der Lesegalerie sind Lesungen geplant, mit dem Casino steht ein Veranstaltungsraum für Treffen aller Art zur Verfügung. Über die Kooperation mit dem SOS-Kindertreff sollen auch Sprachkurse angeboten werden.

Klimaschutz- und -anpassung sowie nachhaltige Energieversorgung spielen bei wagnisWEST eine große Rolle. Alle Gebäude sind mit Energiestandard EH55 in Holz-Hybridbauweise erstellt. Bei den meisten Gebäuden wurde auf eine Unterkellerung verzichtet. Die Energieversorgung erfolgt über Niedertemperatur-Fernwärme aus Geothermie, gekoppelt mit einer Mieterstrom-PV-Anlage. wagnisWEST ist nach dem Schwammstadtprinzip gebaut mit oberflächlicher Versickerung. Die Dachbegrünung und -gärten sind mit Grauwasserversorgung geplant. Zusätzlich gibt es begrünte, außenliegende Treppenhäuser. Im Außenraum wurde zum Beispiel beim zentralen, gelben Platz mit Re-Use-Materialien gearbeitet.

wagnisWEST ist auch ein Beispiel für eine Kooperation zwischen Kommunen und Initiativen. Erstmals in München haben sich für dieses Projekt eine alte und eine junge Genossenschaft zusammengetan. Eine weitere Premiere ist die Verknüpfung von Sozialbedarfsplanung und Genossenschaften: Aus der Sozialraumversorgung entstand, dass in wagnisWEST der SOS-Kindertreff integriert ist.

Innovative Mobilitätskonzepte finden sich bei wagnisWEST insofern als dass Fahrrad und motorisierte Mobilität gleichgestellt sind: Der Stellplatzschlüssel für PKW beträgt 0,5. Es gibt eine Fahrradgarage an der Fahrradstraße Hans-Clarin-Weg, Carsharing-, Lastenrad- und Bike-Sharing-Angebote. Für das Laden von E-Fahrzeugen und -Rädern wird Mieterstrom vom Dach genutzt.

Projekterfolge und Meilensteine

Erstmalige Kooperation in München von junger und alter Genossenschaft mit gemeinsamer Baugruppe.

Schon beim genossenschaftlich orientierten “Weiterschreiben” des Bebauungsplans konnten die Grenzen im Gespräch mit der Stadt München neu ausgelotet werden, so dass ein Baustein für Freiham entstand, der im Inneren großzügige Freiflächen und eine lebendige Mikrostadt mit vielfältigen Gemeinschafträumen und -flächen sowie Gewerbe offenbart.

Projekt als sozialer Nucleus im Neubauquartier durch die frühzeitige und intensive Vernetzung vor und mit dem Ort, z.B. durch Aktionen mit der Baugruppe wie dem Aneignungsfest auf dem Baugrundstück, der Vergrämung des Grundstücks, des Aufstellens eines wagnisWEST-Baucontainers auf dem Baugrundstücks während der Coronazeit für fortlaufenden Kontakt mit der Gruppe und mit dem künftigen Wohnort.

Erfolgreiche Erstellung der Kellerabteile und Montur der Fahrradständer in gemeinsamer Eigenleistung durch die Baugruppe um Identifikation mit dem Projekt und Eigenverantwortung zu stärken.

Einweihungsfest am 14.6.24

Projektbeteiligte und Kooperationspartner*innen

Bauherr*innen:
Wohungsbaugenossenschaft wagnis eG und Wohnungsgenossenschaft München-West eG

Planer*innen:
Alles wird gut Architekten und Stadtplaner, LP 1-4

Titus Bernhard Architekten, LP 5
Architekturbüro Köhler, LP 6-8
bauchplan ).( – Landschaftsarchitekten und Stadtplaner 

Kooperationspartner*innen:
SOS-Kindertreff
IGEWO
Gemeinsam Leben Lernen e.V. (GLL)
Generationengerechtes Wohnen mit der Wohnungsgenossenschaft München-West e.V.
Stadtteilmanagement Freiham
Wertschöpferei e.V.

 

Status
abgeschlossen
Zeitraum
2018 Baugruppengründung, 2021 Baubeginn, 2023/24 Fertigstellung
Art des Projekts
operatives Projekt
Handlungsfelder