Grüner Klosteranger – Vielfalt und Lebendigkeit

In der oberbayerischen 3.400-Seelen-Gemeinde Weyarn wird im ehemaligen Augustiner Chorherrenstift die alte Klosterbrauerei saniert und auf den Grundmauern der abgebrannten Prälatur zwei neue Gebäude errichtet. Im direkten Anschluss wird die ehemalige Klosterwiese bebaut: Eine 5 ha große landwirtschaftliche Brachfläche, unmittelbar angrenzend an den Ortskern – eine einzigartige Chance, um die Ortsentwicklung im Innenbereich gezielt zu steuern und den Flächenverbrauch außerhalb des Ortskerns zu vermeiden. Bestehende bauliche, landschaftliche und soziale Strukturen werden aufgenommen und sorgfältig mit neuen Gebäuden und Freiräumen ergänzt. Bisher fehlende Wohnangebote werden geschaffen, insbesondere barrierefreie Wohnungen in unterschiedlichen Größen sowie bezahlbarer Wohnraum für junge Familien.

Das Bauprogramm umfasst die Klosterbrauerei und Prälaturen, die sogenannten Mehrgenerationenhäuser, Familienwohnen (bestehend aus Reihen- und Doppelhäusern) sowie einen Supermarkt. Öffentliche Bereiche wie das Klostercafé und das Bürgergewölbe in der Klosterbrauerei oder das kleine Bistro mit Terrasse im Supermarkt werden gezielt punktuell eingesetzt, um Begegnung zwischen den Menschen zu fördern.

Inmitten der neuen Bebauung entsteht der Klosteranger, ein autofreier Grünraum für alle Bewohner des Ortes. Mit einer unregelmäßigen Geometrie mäandert er sich durch die Bebauung. Geschwungene Wege verbinden unterschiedlich große Freiräume mit unterschiedlichen Themen wie z.B. einer Streuobstwiese, einem Generationengarten zum gemeinschaftlichen Gärtnern, Treffpunkten unter Bäumen, Kinderspielplätzen oder einem Bolzplatz etc. – Orte für gutes Zusammenleben.

Die Gemeinde Weyarn verfügt über eine etablierte und gelebte Bürgerbeteiligung. Alle Bürger hatten die Möglichkeit sich in unterschiedlichen Arbeitskreisen zu engagieren und Ihre Gedanken und Wünschen in den Planungsprozess einzubringen. Dies hat das Projekt zum “Klosteranger für Alle” gemacht.

Die Beheizung aller Gebäude erfolgt über ein eigens gegründetes Nahwärmenetz. In einem Hackschnitzelheizwerk werden Forstabfälle verwertet, die bei der nachhaltigen Forstbewirtschaftung anfallen und aus einem Radius von maximal 20 km stammen. Die Heizleistung durch den nachwachsenden und regionalen Rohstoff entspricht einem Equvivalent von 300.000 Litern Heizöl pro Jahr.

Das Zentrum Weyarns ist geprägt durch das ehemalige Augustiner Chorherrenstift. Durch die Sanierung der Klosterbrauerei mit altem Kuhstall und historischem Dachstuhl konnten in dem Gebäude nicht nur mehrere Wohnungen, sondern auch das Klostercafé und das Bürgergewölbe untergebracht werden. Beide sind zu wichtigen sozialen Treffpunkten für die gesamte Dorfbevölkerung geworden. Auf der Süd- und Westseite lässt sich die bewegte Geschichte des Gebäudes an den erhalten gebliebenen Scheinfenstern und unterschiedlichen Putzstrukturen ablesen. Direkt anschließend wurde auf den Fundamenten der ehemaligen Prälatur zwei Neubauten mit barrierefreien Wohnungen geschaffen, die die wesentlichen architektonischen Merkmale des Klosters aufgreifen und zeitgemäß interpretieren. Sie erscheinen wie die jüngeren Brüder der historischen Gebäude. Durch den südlichen Querbau wurde der Prälaturhof wieder geschlossen und als Innenhof erfahrbar.

Aktuell fehlen vor allem kleine, barrierefreie Wohnungen für Senioren und bezahlbare Mietwohnungen für junge Menschen und kleine Familien. Diese entstehen in sieben Mehrgenerationenhäusern am Ostrand der Klosterwiese. Die Lage der Häuser im Ortszentrum fördert die Teilnahme der Bewohner am Dorfleben. Je Haus sind 10 Wohnungen mit verschiedenen Größen von S bis XL untergebracht, es entsteht eine Mischung aus Ein- und Mehrpersonenhaushalten sowie Jung und Alt. Das zentrale lichtdurchflutete Treppenhaus fördert die Kommunikation unter den Bewohnern: nach dem Vorbild des „Fletz“ – der Diele in alten Bauernhäusern – wird es zum Gemeinschaftsraum für zwanglose Begegnungen. Die Wohnungen selber erhalten jeweils einen beschützten besonnten Außenraum (Balkon, Loggia oder Terrasse) als privaten Rückzugsort. Die Gestaltung der Häuser greift Merkmale des ländlichen Bauens auf ohne diese zu imitieren, es entsteht ein architektonischer Dialog zwischen Neu und Alt.

Am Westrand der Klosterwiese entsteht das Familienwohnen. 45 Wohneinheiten in Reihen- und Doppelhäusern schaffen bezahlbaren Wohnraum für junge Familien. Jeweils 3-5 Reihenhauseinheiten formen einen lebendigen Baukörper mit reduzierter monolithischer Gestaltung. Die Häuser sind in Gruppen angeordnet, in den Zwischenräumen entstehen gefasste Wohnhöfe. Trotz der Kompaktheit der Häuser hat jeder Haustyp individuelle, teils 2-geschossige Raumerlebnisse und jeweils eine individuell positionierte Loggia als privaten Rückzugsort. Die Herstellung der Häuser erfolgt sehr wirtschaftlich mit einer ausgewogenen Konstruktion aus Massiv-und Leichtbau. Jedes Haus verfügt neben der eigenen Terrasse über einen weiteren privaten Rückzugsort im Außenraum (Loggia oder Dachterrasse). Dies gibt den Häusern ein zusätzliches Maß an Privatsphäre und Lebensqualität. Bewusst wurde auf große Privatgärten und teure Grundstücke verzichtet, es teilen sich ja alle den größten Garten, den Klosteranger.

Im Norden des Angers entsteht der Supermarkt zur Nahversorgung des Dorfes. Die eigentlich schwierige Einpassung des Gebäudes mit großer Flächenausdehnung ist durch das Übergrünem des Marktes gelungen, lediglich die zur Straße gewandten Seiten treten als Fassaden in Erscheinung. Der Markt wird damit weniger als Gebäude, mehr Teil der umgebenden Landschaft wahrgenommen. Zum Klosteranger hin entsteht ein grüner Sonnenhang zum Schlittenfahren oder als Liegewiese. Der Innenraum des Marktes wird von einer Holzkonstruktion überspannt. Die leichte und transparente Glasfassade als thermischer Abschluss springt gegenüber der Dachkante zurück, große Dachüberstände schützen die Innenräume vor Überhitzung und verstärken den Innen / Außen Bezug. Über einen leichten Windfang betritt man den Markt. Hier liegt der Backshop, der sich als Café auf eine Südterrasse erstreckt. Genießen mit Blick zum markanten Kloster Weyarn und zu den Alpen

Kennzahlen des Projekts

Grundstücksfläche: 47.733 qm

entstandene Wohneinheiten: 7 Mehrgenerationenhäuser à 10 Wohneinheiten, 45 Doppel- und Reihenhäuser und nochmal etwa 30 Einheiten in der Prälatur

Projektziel

Im Projekt Mehrgenerationenwohnen in Weyarn wird Gemeinschaft und Nachbarschaft neu interpretiert. In den Häusern leben Menschen unterschiedlicher Generationen nachbarschaftlich zusammen. Kinder, Jugendliche, Erwachsene und ältere Menschen können sich ungezwungen begegnen, sich unterhalten, gemeinsam Ideen entwickeln und sich gegenseitig unterstützen. Ziel des Projekts war das Miteinander, denn jeder hat seine individuellen Talente, die er den anderen zur Verfügung stellen kann.
Die Architektur schafft die Grundlage für dieses Miteinander, indem sie Räume im Außen- und Innenraum anbietet und Bewohner sowie Bürger von Weyarn diese Räume nutzen, bespielen und gestalten können. Das verbindende Element ist der Klosteranger als grüner Freiraum für alle Bewohner des Dorfes.

Projektträger

Quest Baukultur GmbH – als Quartiersentwickler
Spinnereiinsel 3b
83059 Kolbermoor

lbgo – Architekten
Lindwurmstraße 11
80337 München

Projektbeteiligte und Kooperationspartner*innen

Uwe Schmidt – Landschaftsarchitekt

Am Sandhügel 4

94526 Metten

 

Guggenbichler + Wagenstaller (Tragwerksplanung)

Wittelsbacherstraße 4

83022 Rosenheim

Herausforderungen und Lösungsstrategien
Abstimmung
Lösungsstrategien
Die einzelnen Baufelder wurden zugunsten einer großen, gemeinschaftlichen Freifläche, dem Klosteranger, partiell gezielt und bewusst verdichtet. Auf eine flächige, `teppichartige` Bebauung wurde verzichtet. Die versiegelten Flächen und die Grünflächen stehen im Kontext einer ländlichen Bebauung in einem ausgewogenen Verhältnis. Die unter den Gebäuden liegende Tiefgarage war Voraussetzung für das Konzept, wodurch oberirdisch weniger Stellplatzfläche versiegelt werden musste. Im Gebäude wurde durch den zentralen Erschließungskern auf unnötige Flurflächen verzichtet, was einer effektiveren Wohnflächengestaltung zugunsten kommt. Die einzelnen Wohnungen sind bewusst flexibel gehalten. Eine variable Nutzung der einzelnen Räume z.B. als Büro, Kinderzimmer oder Gästezimmer wurde berücksichtigt.
Projektfinanzierung
durch privatwirtschaftliches Engagement
Strategische Zielsetzungen
mehr Beteiligung ermöglichen, Bündnisse und Initiativen anstoßen und unterstützen, Neue Wege und Methoden ausprobieren
Status
abgeschlossen
Zeitraum
2014 – 2020
Art des Projekts
operatives Projekt
Weitere verwandte Themen
Interkommunale Kooperation, Klimaschutz und Klimaanpassung